Das OLG Frankfurt hat mit seinem Urteil vom 8.5.2024 (16 U 33/23) den Umfang Stellungnahmemöglichkeit des Betroffenen im Rahmen der Verdachtsberichterstattung konkretisiert.

Der deutsche Profi-Fußballer Youssoufa Moukoko erwirkte gegen das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ eine einstweilige Verfügung. Das Landgericht Frankfurt hatte dem Antrag des Klägers nur in Teilen stattgegeben, während das OLG die einstweilige Verfügung auf die Verdachtsberichterstattung ausweitete.

Abzuwägen ist zwischen dem Schutz der Persönlichkeit und des guten Rufs des Betroffenen als Teil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und der Meinungs- und Medienfreiheit der Beklagten gemäß Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK.

In der Berichterstattung des Spiegel wurden u.a. die Identität der leiblichen Eltern des Klägers, sein Alter und seine Herkunft angezweifelt.

Für die Zulässigkeit einer Verdachtsberichtserstattung bedarf es nach der Entscheidung des OLG neben:

  • einem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit
  • der klaren Darstellung, dass es sich um Zweifel / Gerüchte / einen Verdacht und nicht um Tatsachen handelt,
  • eines Mindestmaßes an Beweistatsachen,
  • der Vermeidung einer Vorverurteilung

darüber hinaus

  • dem Einholen einer Stellungnahme des Betroffenen, auch zu wesentlichen Indizien.

Das OLG nahm die ersten vier Voraussetzungen als gegeben an. Neben dem vorhandenen Informationsbedürfnis der Allgemeinheit genügten die durch den Journalisten angestellten Recherchearbeiten, die durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht wurden, aus, um ein Mindestmaß an Beweistatsachen zu begründen. Ebenso wurde im Artikel der Sachverhalt nicht präjudizierend dargestellt, sondern die Zweifel an Alter/Herkunft des Klägers z.B. als Konjunktiv formuliert und zum Teil auch die Ansicht des Betroffenen / seines Vaters vorgetragen. Somit konnte auch nicht von einer Vorverurteilung ausgegangen werden.

An den Umfang der Stellungnahmemöglichkeit des Betroffenen stellte das OLG jedoch erhöhte Anforderungen.

Der Spiegel hatte dem Kläger zwar die Möglichkeit der Stellungnahme zu seinem Kernverdacht, dass Zweifel an Alter und Herkunft des Klägers bestünden, eingeräumt, nicht hingegen zu dem in der Berichterstattung dargestellten vermeintlichen Indiz, das den Kernverdacht stützen sollte (Gespräche mit vermeintlichen Angehörigen und weitere Recherchen im vermeintlichen Herkunftsland). Damit seien die publizistischen Sorgfaltsanforderungen nicht eingehalten worden und nur dann könne dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingeräumt werden. Erforderlich sei,

  • dem Betroffenen die Möglichkeit zu gewähren, gerade zu relevanten Punkten / vermeintlichen Indizien seinen eigenen Standpunkt darzustellen oder das Ablehnen einer Stellungnahme auf alle wichtigen Punkte beziehen zu können und
  • dem Autor die Möglichkeit zu geben, anhand der Stellungnahme des Betroffenen seine Recherchen und Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls Nachermittlungen anzustellen.

 

Ein Beitrag von Dr. Kirsten Mäurer